Erste niedersächsische Flüchtlingskonferenz: ein starker Ausdruck der Solidarität und des gemeinsamen Kampfes
„ Ziel muss es sein alle Lager zu schließen, nur so kann die Isolation beendet werden.“ Maurice M. organisiert bei „Jugend ohne Grenzen“
Am 02. Juli 2011 fand in den Räumen des Vereins kagah e.V. in Hannover-Linden auf Initiative der Flüchtlinge des Isolationslagers Meinersen / Landkreis Gifhorn eine Konferenz der Flüchtlinge aus verschiedenen Lagern und Landkreisen in Niedersachsen statt.
Die extreme und repressive Haltung der Behörden im Landkreis Gifhorn hatte den Willen der Flüchtlinge nach Solidarität und Zusammenschluss auf Landesebene verstärkt. Nach einigen Besuchen in anderen Lagern und der Verbreitung einer vielsprachigen Einladung kamen ca. 80 Menschen am 02. Juli in Hannover zusammen. Die größte Gruppe bildeten Flüchtlinge aus sechs Lagern – Meinersen/Gifhorn, Bramsche-Hesepe/Osnabrück, Blankenburg/Oldenburg, Wolfsburg, Rinteln, Braunschweig – sowie Flüchtlinge aus den Landkreisen Göttingen und Cuxhaven, Hameln und Lingen. Zwei kleine Delegationen des KARAWANE Netzwerks aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg sowie Aktivisten von the VOICE Refugee Forum aus Thüringen, Baden Württemberg und Sachsen-Anhalt waren ebenfalls angereist. Deutsche Freunde und Freundinnen halfen mit bei der Logistik, der Essensvorbereitung, beim Übersetzen und anderen anfallenden Aufgaben.
Transparente mit mehrsprachigen Slogans „ Abschiebung ist staatlich organisiertes Verbrechen! Vereint gegen koloniales Unrecht! Gegen Diskriminierung, Rassismus und Verletzung unserer Rechte!“ schmückten den Saal. Ein Infotisch mit Flugschriften in verschiedene Sprachen über Flüchtlingswiderstand in Deutschland war ebenfalls aufgebaut.
Die Sprecher der Flüchtlinge aus dem Landkreis Gifhorn, Nurjana I. und Nidal A., eröffneten die Konferenz und moderierten die Veranstaltung. Eine unvollständige Liste der Herkunftsländer deutet die große Vielfältigkeit und den reichhaltigen Erfahrungsschatz unserer Zusammenkunft an: Palästina, Kurdistan, Nordkaukasus, ehemaliges Jugoslawien-Kosovo, Syrien, Iran, Algerien, Libanon, Benin, Togo, Elfenbeinküste, Rwanda, Kamerun, Azerbaijan, Afghanistan, Sudan, …
… und gleichzeitig verbindet uns das Bewusstsein um die politischen und ökonomischen Zusammenhänge, die zu Problemen in unseren Ländern und zur erzwungenen Migration führen. „Kein arabisches Land führt Krieg gegen ein anderes europäisches Land, umgekehrt dagegen schon. Gleichzeitig wird uns der Eintritt nach Europa verweigert, d.h. die Menschenrechte sind ein Privileg derjenigen, die ohnehin schon in Reichtum und Sicherheit leben,“ führt ein junger Mann aus dem Sudan an und eine Landsfrau, Mutter zweier Kinder, ergänzt, dass Europa und insbesondere Deutschland überall in der Welt sich als Hüter von Demokratie und Menschenrechten präsentiert. „Die Realität – gerade dann wenn wir als Flüchtlinge ihre Länder betreten – ist eine ganz andere. Die Menschenrechte gelten nicht universell, sie werden selektiv gehandhabt. Meine Kinder haben keine Rechte, weil sie keinen deutschen Pass und keinen Aufenthaltstitel haben. Oder sprechen wir über die Frauenrechte. Gelten sie für alle Frauen? Mit dem Argument – Verletzung der Rechte der Frauen – werden Kriegsgründe verschleiert. Gelingt uns die Flucht aus den Kriegsgebiete nach Europa, wo die Rechte der Frauen höchsten Wert haben sollen, finden wir uns in isolierten Lagern unter schwersten Bedingungen wieder. Erst fragt man uns nach unseren Gründen zur Flucht, danach bereitet man uns nur Probleme.“
Ausnahmslos bezeichnen alle RednerInnen die deutsche Flüchtlings- und Migrationspolitik als rassistisch, was sich schon darin begründet, dass ein reiches Land wie Deutschland sich massiv gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehrt. Die wenigen Menschen – im globalen Maßstab gesehen, die es bis nach Deutschland geschafft haben, werden diskriminierenden und auf längere Sicht krank machenden, destruktiven Bedingungen unterworfen. Alle haben andere Flüchtlinge in den Lagern kennengelernt, die psychisch gebrochen wurden, die nicht mehr sie selbst waren, die versucht haben, sich umzubringen. Delegierte aus den verschiedenen Lagern geben kurze Berichte über die allgemeine Situation in ihrem jeweiligen Landkreis.
Meinersen/Gifhorn: Es leben bis zu 75 Menschen (Frauen, Männer und Kinder) im Lager zwischen Schnellstraße und Gewerbegebiet. Die Hauptprobleme sind die isolierte Lage, die Enge und die ständigen Schikanen durch die Ausländerbehörde und die Lagerleitung. Außerdem darf niemand arbeiten und fast niemand erhält Bargeld. Seit über einem Jahr haben die BewohnerInnen viele Proteste durchgeführt. Am 01. März diesen Jahres hat sich der nepalesische Flüchtling, Shambu Lama, das Leben genommen – aus Angst vor der Abschiebung. Trotz der Proteste und einer breiteren Öffentlichkeit hat sich an der elenden Situation nichts wesentlich verbessert. Im Austausch mit anderen Lagern in Niedersachsen und darüber hinaus können wir uns besser organisieren und zur Wehr setzen.
Bramsche-Hesepe/Osnabrück: Das Lager ist bekannt als Abschiebelager und wir leben in einer totalen Isolation. Dies wird nicht nur durch die abgelegene Lage sondern auch durch den Charakter des Lagers deutlich – die Infrastruktur wie Teile der Behörde, Kindergarten, Polizei, Arzt sind im Lager platziert. Es wird kein Bargeld ausgegeben sondern das Gutschein- und Sachleistungssystem angewandt. Eigenes Essen zuzubereiten ist nicht vorgesehen. Dafür gibt es eine Kantine, die Anlass für viele Beschwerden und auch Anlass eines Streiks gewesen ist. Es gibt Menschen, die seit 4 Jahren - manche seit 10 Jahren - dort leben. Die Handlungen der Ausländerbehörde ist absolut intransparent und willkürlich. Man weiß nicht, ob und wann man eine Umverteilung aus dem Lager bekommt. Die Duldung wird manchmal nur für kurze Zeit, und dann manchmal für etwas längere Zeit ausgestellt. Eigentlich soll es nach einem Jahr Aufenthalt Arbeitserlaubnisse geben, aber auch das wird nicht konsequent umgesetzt. Wenn jemand, was selten ist, Arbeit hat, dann wird ihm Geld für Unterbringung, Verpflegung, etc. abgezogen. Einem Vater einer fünfköpfigen Familie bleiben nach Abzügen der Behörde und der Lagerverwaltung noch 300 Euro von seiner Vollzeitarbeit.
Die Isolation im Lager erzeugt weitere Probleme, die zur Kriminalisierung führen. Ein junger Mann gab ein Beispiel: „Die Situation im Lager ist so, dass du sie irgendwann nicht mehr ertragen kannst. Du musst raus, um etwas anders zu sehen, um mal durchzuatmen. Wir haben kein Geld und das Lager ist weit von der Stadt. Du fährst ohne Fahrschein oder du überschreitest die Landkreisgrenze. Dann wirst du kontrolliert und du bekommst eine Geldstrafe. Du kannst nicht bezahlen. Dann gehst du ins Gefängnis. Zweieinhalb Monate Gefängnisstrafe hat ein Freund bekommen, weil man uns in eine untragbare Lebenssituation zwingt," und er fügt noch hinzu: "Wir brauchen nur ein bißchen Freiheit, wir können für uns selbst sorgen."
Es hat verschiedene spontane Proteste gegeben. Die Lagerleitung haben mit Drohungen und Repression reagiert. Es gibt aber Planungen für neue entschlossenere Aktionen. Es ist wichtig, dass wir uns im ganzen Bundesland vernetzen - gegen die Bevormundung.
Wolfsburg: Wir sind mit den gleichen Problemen konfrontiert. Die Ausländerbehörde ist das größte Problem. Sie begegnet uns mit Rassismus und vermittelt uns, dass wir keine Rechte haben. Tatsächlich gibt es keine Aufklärung über unsere Rechte und unsere Möglichkeiten. Einerseits wird von uns verlangt, wenn wir irgendwann eine Aufenthaltserlaubnis bekommen sollten, dass wir die deutsche Sprache beherrschen, andererseits tut die Behörde alles daran, dass wir isoliert sind und keine Kontakte in die Gesellschaft aufbauen. Deutschland lehrt Rassismus. Durch die engen isolierten Wohnverhältnisse, den ständigen Druck und die Behördenwillkür werden Konflikte zwischen Flüchtlingen verschiedener Herkunft geschürt. Es muss unserer Ziel sein, größeres Bewusstsein zu schaffen, um uns zu vereinigen und die Rechte aller zu erstreiten. Auch müssen wir unser Wissen teilen, denn die Behörde jongliert mit komplexen Gesetzen, die man nicht kennt und versteht. Man verurteilt uns zu Nichtstun und entmündigt uns. Man lässt uns kein Geld verdienen und man gibt uns kein Bargeld. Man kann sagen, sie wollen uns zum Stehlen zwingen. Das ganze System besteht aus Menschenrechtsverletzungen in den Bereichen, Menschenwürde, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Bewegungsfreiheit. Die Residenzpflicht ist beispielgebend für unsere Diskriminierung und die Behörde nutzt diese sogar noch für zusätzliche Schikanen. „ Ich habe nach einer Erlaubnis den Landkreis für eine Woche zu verlassen gefragt, um einen Verwandten, den ich zwei Jahre nicht gesehen habe zu besuchen. Die günstigste Reisemöglichkeit für die große Entfernung ist das Wochenendticket. Die Behörde wollte mir nur für drei Tage eine Erlaubnis geben. Ich habe abgelehnt.“ Jemand aus dem Landkreis Rotenburg/Wümme meldet sich zu Wort und sagt, dass ihm die Ausländerbehörde die Erlaubnis zur Teilnahme an der Konferenz verweigert hat mit der Begründung, es dürften nur vier Anträge auf Verlassen des Landkreises im Jahr gestellt werden.“
Rinteln: Es gibt drei Wohnheime und ca. 150 Flüchtlinge in der Kleinstadt. Es herrscht große Enge. 4-6 Menschen müssen sich ein Zimmer teilen. Wir sind froh über die heutige Zusammenkunft, denn es ist wichtig, dass wir uns zusammenschließen um die Probleme, die überall ähnlich sind, zu lösen. Wir haben im Internet und auch im Fernsehen von den Protesten in Meinersen erfahren. Das hat viele bei uns ermutigt, sich zu wehren. In unserem Landkreis mussten wir früher 10 Euro für einen Antrag auf Verlassen des Landkreis bezahlen. Nach unserem Protest wurde das eingestellt. In einer Unterkunft sind die Fenster sehr dünn und undicht. Im Sommer ist es heiß, im Winter kalt. Es kommt viel Dreck und Staub von draußen rein. Es gibt nur eine Dusche für 50 Männer. Nach Beschwerden wurde Änderung versprochen. Dies ist fast ein Jahr her und es hat sich nicht geändert. Trotzdem müssen wir weitermachen und vor allem die Angst vor Repression überwinden. Es gibt viele Beispiele von erfolgreichen Kämpfen in anderen Bundesländern. Es gibt Bundesländer wo es keine Gutscheine mehr gibt, während es in Niedersachsen nur die Erniedrigung durch das Gutscheinsystem gibt. Überall im Saal werden verschiedene Arten bedrucktes Papier – Gutscheine - hochgehalten. Große violette A4 Bögen, kleinere grüne Zettel, mehrfarbig bedruckte Karten - jeder Landkreis macht seine eigenen Gutscheine und sein eigenes Berechnungssystem – völlige Intransparenz.
Wir müssen unsere Kämpfe zusammenschließen und alle anderen Lager mit einbeziehen. Nur wenn die Lager geschlossen sind, ist eine Integration möglich. Es ist für uns auch wichtig, mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten.
Braunschweig: Die Delegation bestätigt alle vorgenannten Problematiken und stellt für das Zentrale Aufnahmelager in der Boeselagerstraße 4 in Braunschweig, am Rand von Industriegebiet und neben der Autobahn gelegen, drei für sie wesentlichen Punkte heraus. Als Erstaufnahmestelle sollen Flüchtlinge nach drei Monaten aus den Kasernenblöcken des Lagers in andere Landkreise verteilt werden. Aber viele sind wesentlich länger dort untergebracht. „Es ist wie ein Gefängnis“ – Umzäunt und ummauert, Wachposten am Tor und Sicherheitskräfte auf dem Gelände, mehrgeschossige Blöcke mit langen breiten Fluren, rechts und links die Zellen mit je vier Feldbetten und vier Blechschränken, so leben hunderte unschuldiger Menschen in der Boeselagerstraße 4.
die drei Hauptprobleme sind:
1. der Rassismus, die Behördenmitarbeiter, die Lagerangestellten und selbst die Bundesamtsbeamten sind Rassisten. Es ist eine subtile Art des Rassismus, der aber überall spürbar ist.
2. die Kommunikation, es wird von uns Flüchtlingen verlangt, dass wir deutsch sprechen, obwohl wir erst kurze Zeit in Deutschland sind. Das birgt verschiedene Gefahren - zum einen für unsere Gesundheit, da wir beispielsweise Krankheitssymptome nicht nennen können, zum anderen auf Ebene unseres Asylverfahrens, weil wir den Inhalt der Gesetze oder den Verfahrensverlauf nicht verstehen können. Die Sozialarbeiter haben keine fundierte ethische Grundlage und haben keine ausreichende Qualifizierung, uns detaillierte und verlässliche Informationen zu geben. Sie sehen es nur als Job und Einnahmequelle. Es gibt oft Schwierigkeiten mit unkorrekter Übersetzung.
3. der Mangel an Privatsphäre, die Enge und die Isolation schafft Konflikte und Streit untereinander
Für uns im Erstaufnahmelager ist der Kontakt mit Flüchtlingsaktivisten, die schon viele Erfahrungen sammeln konnten, sehr wichtig. Oft werden wir irgendwann in kleine Dörfer verteilt, wo wir dann der Willkür der dortigen Ausländerbehörden unterworfen sind und keine Ahnung haben, was unsere Rechte sind.
Oldenburg: Wir haben die gleichen Probleme kennengelernt, wie alle VorrednerInnen auch. Wir haben aber auch eine Geschichte des Widerstands und der Organisierung. Wir haben uns mit dem antirassistschen Plenum Oldenburg zusammengetan. Wir existieren seit 5 Jahren und treffen uns regelmäßig, diskutieren die Probleme und suchen zusammen Lösungsansätze. Unsere Forderungen sind die Schließung aller Lager und das Asylrecht und Bleiberecht für alle. Wir haben die Schließung des Lagers Blankenburg erreicht. Aber die Probleme sind noch nicht gelöst. Ca. 160 Leute haben einen Antrag gestellt in Oldenburg zu wohnen. Die Stadt sagt, sie könne sie nicht unterbringen. Gleichzeitig heißt es, dass 400 weitere Flüchtlinge vom Landkreis Oldenburg aufgenommen werden müssten. Es ist ein Hin- und Hergeschiebe von uns als wären wir Gegenstände. Wir haben erfolgreiche Kämpfe geführt, was motiviert, weiterzumachen. Wir möchten eine weitergehende Vernetzung mit anderen Flüchtlinge in Niedersachsen.
Göttingen: In der Stadt leben ca. 600 – 700 Flüchtlinge mit Duldung. Es sind keine Lager, allerdings sind die Wohnungen oft von schlechter Substanz. Das Gutscheinsystem bringt ständige Diskriminierung. Seit 18 Monaten wird das Lager Friedland wieder betrieben. Ca. 250 Menschen leben dort 25 km von Göttingen entfernt - vor allem Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Libanon – als Rassismus durch Ethnisierung bezeichnen es die Delegierten aus Göttingen. Durch das willkürliche Handeln der Behörden und durch das System der Kettenduldung wird versucht Widerstand zu individualisieren und damit wirkungslos zu machen. Die Lösungen für die Probleme können wir nur zusammen finden.
Cuxhaven: Der Landkreis betreibt keine Lager, aber es gibt eine Form der Ghettoisierung. Viele Flüchtlinge werden in sogenannten Schlichtwohnungen (niedrigster Standard) untergebracht, z.B. werden viele Flüchtlinge aus Oldenburg in einer Ansammlung solcher Wohnungen ca 30 km von Cuxhaven entfernt untergebracht. Der Arbeitskreis Asyl hat einmal pro Monat den Tausch von Gutscheinen organisiert. Es gibt eine bisher erfolgreiche Kampagne gegen die Abschiebung von Roma und eine Kampagne gegen die Kettenduldungen. Für die Forderungen der Flüchtlinge aus Meinersen wurden in Cuxhaven Unterschriften gesammelt.
Nach den Berichten der Flüchtlinge aus den verschiedenen Orten in Niedersachsen sprachen zwei Flüchtlingsaktivisten von the VOICE Refugee Forum aus Thüringen und aus Baden Württemberg.
Sie waren der Einladung gefolgt, um ihre Solidarität zu zeigen und ihre Erfahrungen des Kampfes gegen die Lager und die Isolation zu teilen.
Miloud S. aus dem Lager Zella-Mehlis in Thüringen stellt den Ansatz vor, den die Flüchtlingsaktivisten von the VOICE in Thüringen verfolgen vor. Die Probleme sind mehr oder weniger die gleichen und wir leiden alle darunter. Wir haben zu Recht viele Beschwerden, aber wir müssen uns selbst immer zuerst die Frage stellen: was tun wir? Wir müssen über uns selbst sprechen und darüber, was wir machen können. Wichtig ist unsere Einheit, sind wir zusammen, werden wir eins, können wir weit gehen. Die Lösung für alle Probleme ist unser Zusammenschluss. Es schwächt uns, wenn wir nur kleine Verbesserungen erreichen wollen, oder wenn wir nur über unsere persönlichen Probleme reden. In unserer Vereinigung können wir alles an unserer Situation ändern. Wir müssen nur selbst daran glauben und aktiv werden. Wir müssen uns unsere Rechte nehmen. Die Residenzpflicht kann ich nicht befolgen, es ist widersinnig und verletzt mein Menschenrecht. Um mich zu bewegen kann ich nicht jemand um Erlaubnis fragen. Die Menschen in Tunesien oder Ägypten haben auch nicht um Erlaubnis gefragt. Sie sind auf die Straße gegangen. Menschen wurden ermordet, aber sie können nicht alle umbringen. Sie können auch nicht alle abschieben. Der Kampf geht immer weiter.
In Thüringen setzen wir uns konkrete Ziele. Wir wollen alle Lager schließen. In der langen Geschichte des Widerstands hat the VOICE an die zehn Lager geschlossen, weil sie daran glaubten. Wir setzen uns ein weitreichendes Ziel, das wir dann konsequent und kontinuierlich verfolgen. Das gemeinsame Ziel eint uns. Auch wenn Leute denken, das ist nicht möglich, denken und handeln wir: Menschen sollen nicht in Lagern leben! Wir verfolgen zur Zeit die Schließung von vier Lagern, Ganglöff-Sömmerda - die Entscheidung ist schon gefallen, Gerstungen, Breiten-Worbis und Zella-Mehlis. Deshalb müssen wir uns alle selbst fragen, wie viele Flüchtlinge leben in Deutschland und wie viele sind aktiv? Was wäre wenn immer mehr Flüchtlinge aktiv würden? Zum Beispiel die Residenzpflicht, es ist beschämend nach einem „Urlaubsschein“ zu fragen. Entscheiden wir uns dagegen. So kämpft man gegen die Residenzpflicht. Es liegt in unserer Hand die Situation zu verändern, niemand wird das für uns tun. Jeder und Jede muss sich entscheiden.
Rex O. Gründer der Flüchtlingsinitiative Biberach bezeichnet die Beschreibungen aus Niedersachsen als zutreffend auch für die Situation der Flüchtlinge in Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg haben die aktiven Flüchtlinge nach mehreren Treffen entschieden, mit Unterstützung von the VOICE und der KARAWANE ein permanentes Büro in Stuttgart aufzubauen. In diesem Monat wird das Büro eröffnet. Die Selbstorganisierung von uns Flüchtlingen ist das wichtigste. In einem Satz beschrieben ist the VOICE Refugee Forum eine Selbstorganisierung der Flüchtlinge und die KARAWANE die Dachorganisierung, die für den Fortschritt und für die Bedingungen zur Selbstorganisierung arbeitet. Wir müssen selbst sprechen, diskutieren ,entscheiden und handeln. Eine Stellvertreter-Politik geht nicht, sie macht vielleicht manches „softer“, löst aber nicht grundsätzlich das Problem. Wir müssen selbst unsere Situation und unsere Forderungen aussprechen und die Gesellschaft konfrontieren mit unserer Präsenz. Jeder kann seine Situation am besten selbst beschreiben. Alles, was wir erleben wie Essenspaketesystem, Schimmelbehausungen, etc. auch wenn wir das auf der Strasse erzählen, glauben viele uns nicht und halten uns für Lügner. Wir haben gegen das Essenpaketesystem gekämpft und dann kamen Gutscheine. Das war eine neue Diskriminierung und eine Stigmatisierung beim Einkaufen. Unser Bewußtsein muss auf eine höhere Stufe gelangen, denn all die kleinen Probleme sind Teil des großen Zusammenhangs. Wir sollen nicht fragen: wer hilft uns, sondern anfangen uns selbst zu helfen, dann erfahren wir auch Solidarität. Wir müssen die Kämpfe in die Lager zurückbringen. Das ist der Punkt der Selbstorganisation. Wir sollen Leute in die Lager einladen, damit sie selbst sehen können wie die Situation ist. Da brauchen wir dann nicht mehr viel erzählen. Unsere Vernetzung und unser Austausch sind wichtig.; innerhalb der Lager und dann über die Lager hinaus mit anderen Orten und Städten so wie die Zusammenkunft heute.
Es wurde von allen der Wunsch nach einer Weiterentwicklung des Zusammenschlusses in Hannover geäußert. Einige Ideen wurden in den Raum gestellt wie:
eine gemeinsame Demonstration in Hannover,
einen Gutschein Boykott ähnlich wie in Brandeburg mit Druck auf die Geschäftsleute, das Gutscheinsystem abzulehnen und Aktionen vor den Supermärkten und Blockaden.
Flüchtlinge aus Bramsche planen eine Demonstration.
Im Oktober findet eine überregionale Demonstration mit vorausgehender Konferenz in Erfurt/Thüringen statt, wo Delegationen aus ganz Deutschland eingeladen sind, zu kommen und Solidarität zu zeigen.
Am 13. und 14. August findet in Hamburg das offenen bundesweite KARAWANE Treffen statt. Schwerpunkt soll die Entwicklung in Niedersachsen sein. Eine aktuelle Einladung im Anhang.
Nach fünf Stunden konzentrierten Austauschs und Übersetzungen der Wortbeiträge in arabisch, französisch, deutsch, farsi, englisch und serbokroatisch mussten viele TeilnehmerInnen aufbrechen, um vor Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs ihre Orte und die Lager zu erreichen. Ein von Flüchtlingen aus Meinsern erstelltes Video über den Alltag und den Widerstand im Lager beschloss die erfolgreiche erste Konferenz in Niedersachsen. Allen teilnehmenden Freunden und Freundinnen und allen die unterstützt haben sei Dank gesagt. 1500 Euro hauptsächlich Fahrtkosten und daneben Raummiete und Verpflegung hat die Konferenz gekostet.
Protokollverantwortung:
KARAWANE Hamburg
c/o Internationales Zentrum, Brigittenstr. 5, 20359 Hamburg; @: free2move nadir.org
Anlage 1:
Einladung zum bundesweiten KARAWANE-Treffen in Hamburg
Am 2. Juli fand in Hannover eine Flüchtlingskonferenz statt, zu der die BewohnerInnen des Lagers in Meinersen eingeladen hatten. 80 Menschen, darunter viele Flüchtlinge aus ganz Niedersachsen, waren dieser Einladung gefolgt und berichteten über die Situation in ihren Unterkünften und über die damit verbundenen Probleme.
Am 13./14. August findet in Hamburg das nächste bundesweite KARAWANE-Treffen statt. Auch an diesem Wochenende wollen wir den Schwerpunkt auf die Situation in Niedersachsen legen und deswegen vor allem Flüchtlinge aus Niedersachen bzw. aus Norddeutschland einladen, sich an diesem Treffen zu beteiligen. Wir werden die Ergebnisse der Konferenz vorstellen, um dann gemeinsam zu diskutieren, welche weiteren Strategien und Aktionen sowohl in den einzelnen Lagern als auch zentral möglich sind. Es gibt z. B. den Vorschlag, am 3. September (eine Woche vor den niedersächsischen Kommunalwahlen) eine zentrale Demonstration in Hannover zu organisieren, um die Situation der Flüchtlinge in die Öffentlichkeit zu bringen. Es wäre hilfreich, wenn schon vorab viele Leute dazu eine Rückmeldung geben, ob die Teilnahme für Menschen aus ihrer Region überhaupt in Frage kommt.
Weitere Tagesordnungspunkte beim KARAWANE-Treffen sind:
• die KARAWANE-Zeitung
• das Tribunal
• Aktionstage in Thüringen im Oktober
Nähere Infos und eine Wegbeschreibung kommen später.
KARAWANE-Gruppe Hamburg
Anlage 2:
Spendenkonto
Unterstützt den Kampf der Flüchtlinge!
Die Karawane ist maßgeblich auf Spenden angewiesen. Unsere Organisation besteht überwiegend aus Flüchtlingen, die (wenn überhaupt) nur über sehr geringe finanzielle Mittel verfügen. Aus diesem Grunde haben wir 2008 den „Förderverein Karawane e. V.” gegründet. Unser Verein ist als gemeinnützig anerkannt und kann deswegen auf Wunsch Spendenquittungen ausstellen, so dass sie steuerlich absetzbar sind. Wenn bei der Überweisung die Adresse mit angegeben wird, verschicken wir die Spendenbescheinigung automatisch spätestens am Anfang des Folgejahres.
Kontakt: foerderverein(at)thecaravan.org
Unsere Bankverbindung lautet:
Förderverein Karawane e.V.
Kontonummer: 40 30 780 800
GLS Gemeinschaftsbank eG
BLZ: 430 609 67
Stichwort: KARAWANE-Treffen-13/14 August 2011